(Ir-)Responsibilisierung, Genetik und Neurowissenschaften

In Catrin Heite, Veronika Magyar-Haas & Clarissa Schär (eds.), Responsibilisierung. Springer Fachmedien Wiesbaden. pp. 53-80 (2024)
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Abstract

Der Begriff der Responsibilisierung, der ursprünglich aus dem Kontext der sogenannten Governmentality Studies hervorgegangen ist, wird heute in verschiedenen Sozialwissenschaften verwendet, um eine Regierungstechnologie zu beschreiben, die besonders auf die Herausforderung des Neoliberalismus abgestimmt ist, nämlich die Frage, wie man freie Individuen regieren kann. In scheinbar paradoxer Gleichzeitigkeit mit der Hegemonie des Neoliberalismus, die sich stark auf individuelle Wahlmöglichkeiten, Freiheit und Verantwortung stützt, existieren jedoch zwei wirkmächtige wissenschaftliche Diskurse, die diese Annahmen vehement zu untergraben scheinen, nämlich die Genetik und die Neurowissenschaften. Ausgehend von einer Erörterung der Stärken und Grenzen des Begriffs der Responsibilisierung wird in diesem Beitrag die Notwendigkeit der Einführung des komplementären Konzepts der Irresponsibilisierung dargelegt, das als eine Form dessen interpretiert werden kann, was Foucault in seinen Vorlesungen zur „Geschichte der Gouvernementalität“ als „Gegen-Verhalten“ bezeichnet – in diesem Fall gegen die neoliberale Regierungstechnologie der Responsibilisierung. Im Folgenden wird untersucht, inwieweit Genetik und Neurowissenschaften als Diskurse betrachtet werden können, die Formen der genetischen und/oder neurologischen Irresponsibilisierung fördern, was der scheinbar paradoxen Co-Hegemonie von Neoliberalismus einerseits und Genetik und Neurowissenschaften andererseits einen Sinn geben würde. Bei näherer Betrachtung der Erkenntnisse dieser Disziplinen und ihrer Verwendung stellt sich jedoch heraus, dass die Konstituierung als „somatisches Individuum“ (Rose) als eine Form des Gegen-Verhaltens mit erheblichen Kosten verbunden ist, insbesondere mit neuen Formen der genetischen und/oder Neuro-Responsibilität. So schließt der Beitrag mit der doppelten Schlussfolgerung, dass es überall dort, wo es Responsibilisierung gibt, auch Irresponsibilisierung gibt und dass genetische und Neuro-Irresponsibilisierung riskante Strategien des Gegen-Verhaltens sind, die Responsibilisierung auf einer anderen Ebene durch die Hintertür wieder einführen könnten.

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