Abstract
Der Beitrag entfaltet die These, dass die umfassende Ästhetisierung der Gesellschaft weitreichende Folgen für das ästhetische Widerstandspotential hat. Der Gegenstand der Untersuchung ist die spezifisch moderne Lebensform der Bohème, verstanden als jene Sub- oder Gegenkultur, mit der die Ästhetisierung des Sozialen überhaupt erst begann. Gezeigt wird, wie sich die Bohème, indem sie maßgeblich zum Entgrenzungsprozess der Kunst beitrug, selbst abgeschafft und das Widerspruchspotential des Ästhetischen historisiert hat. Die historische Bohème wird als Vorläufer eines sozialen Wandels vorgestellt, dem sie selbst zum Opfer fiel. Während der 1960er Jahre verwandelte sich die alte/historische Bohème in eine neue, nicht länger durch Selbstexklusion definierte Gegenkultur. Abschließend wird anhand der sogenannten digitalen Bohème der gegenwärtige, vom Verlust der Unterscheidungskriterien gezeichnete Zustand einstiger Gegenkultur diskutiert.