Psyche 71 (6):479-505 (
2017)
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Abstract
Racines »Phèdre« wird zum Opfer eines tödlichen Schamkonflikts. Der tief in ihre Psyche eingeschriebene Familienfluch ihrer sexuell devianten Vorfahren sowie die Erfahrung des Liebesverlusts, der aus der Zurückweisung ihres Stiefsohns Hippolytes resultiert, bringen sie dazu, den letzten Zielpunkt ihrer Scham zum Tode – den Suizid – auszuführen. Racines Seelenspektakel wird durchgehend von dem Affekt der Scham strukturiert. Stets ist die Figur vom brennenden Blick ihres mythisch-göttlichen Großvaters Helios begleitet. Racine verortet die unlösbaren Konflikte der Tragödie im Inneren der Figur und benennt den Affekt der Scham durch die sprachliche Ästhetisierung. Phèdres autodestruktive Flucht in die Höllennacht bleibt der letzte Ausweg für die von der tödlichen Scham geplagte Figur.