Abstract
Aber nicht den Verdeutlichungen der Denker, sondern dem Deuten der Dichter sind die Not und das Irrsal der Nacht anvertraut. Darum redet Hölderlin den Dichterfreund Wilhelm Heinse an : »Aber Freund! wir kommen zu spät. Zwar leben die Götter Aber über dem Haupt droben in anderer Welt. Endlos wirken sie da und scheinens wenig zu achten, Ob wir leben, so sehr schonen die Himmlischen uns. Denn nicht immer vermag ein schwaches Gefäß sie zu fassen, Nur zu Zeiten erträgt göttliche Fülle der Mensch.« Diese Distichen-Reihe beginnt mit einem zweifachen »Aber« und antwortet so auf jenen Anruf, der zuvor an den Dichter-Genossen gerichtet war : »So komm! daß wir das Offene schauen«. Das Offene ist wie das offene Meer grenzenlos und wie der offene Himmel unverstellt. Das Offene nun, das der vom Dichter- und Nachtgott getriebene Sänger zu schauen aufbricht, ist die grenzenlose Einheit von Himmel und Erde, von Sterblichen und Unsterblichen, in der sich einst der Gott unverstellt zeigte. Aber wir sind Abendländer und Epigonen. Wir kommen zu spät. Das »Brautfest der Götter und Menschen« ist vorüber. Über unser hesperisches Geschlecht ist die Nacht der Götterferne hereingebrochen.