Die Binsenweisheit, Ovids Barbier des Midas und die Syrinx

Abstract

Ovid versteht seine Metamorphosen als zusammenhängende Dichtung (perpetuum carmen). Für die Syrinx-Erzählung ist dieser Zusammenhang offensichtlich: Im ersten Buch wird erzählt, wie es zur Erfindung der Panflöte (Syrinx) gekommen ist, im elften Buch tritt Pan auf der Syrinx gegen Apollon an. Die unmittelbar anschließende Geschichte vom Barbier des Midas wird dagegen gegenwärtig nur selten mit der Syrinx verknüpft. Zu Unrecht, wie in diesem Aufsatz dargestellt werden soll. Denn diese Geschichte ist der eigentliche Schlusspunkt des musikalischen Wettstreits zwischen Pan und Apollon, worin er sich, quasi in einer Zugabe, zugleich als Gott der Wahrheit präsentiert. Die vordergründig groteske Handlungsweise des Dieners ist durchgängig eine semantische Komposition zum Thema Syrinx. Nun wird Ovids Geschichte vom Barbier des Midas bekanntlich gerne mit dem Wort Binsenweisheit verknüpft und umgekehrt. Das geschieht durchaus unorthodox, nämlich nicht gestützt auf etymologische Wörterbücher, die meist andere Quellen bevorzugen, wenn sie die Wortbildung nicht gleich ungeklärt sein lassen. Zu dieser Verbindung gehört also eine gute Portion Einfalt. 2 Vor dem oben genannten Hintergrund müsste diese Beziehung zudem als besonders glückliche Fügung betrachtet werden. Ich kann nicht umhin, es so zu sehen und werde dafür argumentieren, dass Binsenweisheit ein Wort mit Geschichte ist, weil es ein Wort mit Geschichte ist. Gut, der Barbier des Midas wird darin zum Prototyp eines Whistleblowers. Das sieht nach einer hausgemachten Schwierigkeit aus, denn Binsenwahrheiten sind gerade keine Geheimnisse. Dieser Aspekt wird durch Bezug auf antike Interpreten, Ausonius und Persius, näher untersucht. All dies ist nicht möglich ohne kurze Streifzüge durch die Semantik von Binsenweisheit vermittels der stets griffbereiten Vergewisserungsformel Es ist eine Binsenweisheit, dass ... Zwischen Binsenwahrheit und Binsenweisheit wird im Aufsatz nicht weiter unterschieden. Wer möchte, kann sie jeweils Syrinx und Apollon, den beiden Hintergrundakteuren der Barbiergeschichte, zuordnen.

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