Der Umgang mit „second victims“ als organisationsethische Aufgabe

Ethik in der Medizin 29 (3):187-199 (2017)
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Abstract

ZusammenfassungZwischenfälle, Behandlungsfehler und tragische Verläufe können im Medizinalltag schwerwiegende Auswirkungen auf Patientinnen und Patienten haben, aber auch auf beteiligte Gesundheitsfachpersonen. Don Berwick, ehemaliger Leiter des Institute for Healthcare Improvement in Boston, hob in einem Interview die Unterstützung von „second victims“ als „ethische Angelegenheit“ hervor. Es besteht aber keine Klarheit darüber, was darunter zu verstehen ist. Der vorliegende Beitrag unternimmt eine Klärung dieser Frage aus der Perspektive der Organisationsethik. Ausgehend von Daten aus der Literatur zur Wirksamkeit der Unterstützung von „second victims“ werden Herausforderungen beschrieben und aus organisationsethischer Sicht beurteilt. Es gibt Hinweise, dass Angebote der Unterstützung von „second victims“ zwar bestehen, aber nicht wirksam genug sind, um die psychischen Folgen von unerwünschten Ereignissen zu bewältigen. Dies wirkt sich auf betroffene Fachpersonen negativ aus und kann zu einer erneuten Gefährdung der Patientensicherheit führen. Angesichts dieser Befunde bedarf es eines organisationsethischen Ansatzes, um Don Berwicks Forderung nachzukommen, den Umgang mit „second victims“ als „ethische Angelegenheit“ wahrzunehmen. Dieser Ansatz fördert die Kongruenz zwischen den deklarierten und den faktisch gelebten Werten der Organisation. Sein normatives Fundament besteht in den Fürsorgepflichten der Organisation, gegenüber Patientinnen, Patienten und Mitarbeitenden. Die Organisationsethik ermöglicht es, die Unterstützung von „second victims“ verbindlich und sichtbar in der Sicherheitskultur der Organisation zu verankern. Sie konkretisiert sich in ihrer Verpflichtung, für die Mechanismen der Entstehung des Phänomens zu sensibilisieren und Ressourcen bereitzustellen, die einen effektiven Umgang damit ermöglichen. Dazu gehören evidenzbasierte ethische Leitlinien, standardisierte Prozesse, Schulungen sowie niederschwellige Coaching-Angebote.

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