Abstract
Husserl war wie die meisten Logiker seiner Zeit vor allem am apophantischen Sprachgebrauch, an der logischen Problematik des Urteils, interessiert : mehr als seine Vorgänger und Zeitgenossen jedoch hat er sich auch eingehend mit der Problematik des nicht-apophantischen Sprachgebrauchs, im besonderen mit Logik und Genealogie der Frage beschäftigt. Im ersten Teil dieses Beitrags wird ein Uebersicht über die Positionen seiner Zeitgenossen und Vorgänger in diesem Bereich gegeben : implizit oder explizit hat Husserl gegen diese Auffassungen, in der Weise einer mittelalterlichen „quaestio”, polemisiert. Im zweiten Teil wird Husserls frühe Theorie (Logische Untersuchungen), im dritten Teil seine spätere Theorie (Ideen, Analyses zur passiven Synthesis und „Erfahrung und Urteil”) analysiert. Die erste Theorie gibt eine reinlogische Analyse des Frageverhaltens, wobei ihre sprachliche und kommunikative Bedeutung auf den Hintergrund bleibt. Die späteren Darlegungen befassen psychologische Betrachtungen über die Genese von Fragen im Bewustsein und über ihre Bedeutung im Erkenntnisprozess. Im letzten Teil wird versucht sowohl der primären phänomenale Gegebenheit von Fragen u. dgl. als Sprechakt Rechnung zu tragen, wie auch den Elementen einer „erotetischen Logik”, die in der Denkwelt Husserl und seiner Vorgänger und Zeitgenossen nicht oder nur ungenügend figurieren. Eine vollständige Phänomenologie des Fragens umfasst nicht nur logisch- und psychologischphänomenologische Betrachtungen, sondern auch „pragmatische” : ihre sprachliche und kommunikative Aspekte sind nicht von neben sächlicher, sondern von essentieller Bedeutung. Will man vollständig verstehen was Fragen „bedeutet”, so muss man sich jedoch dem Problem des Fragenden und In-Frage-gestelten Menschen zuwenden. Das wird, am Leitfaden der Phänomenologie von Heidegger und Levinas, von Sartre und Merleau-Ponty, aber auch von Gadamer, Jaspers und anderen zeitgenössischen Autoren, in einen Beitrag auseinandergesetzt welche im Anschluss an diesem erscheinen wird