Abstract
In der Philosophiegeschichte wurde Freundschaft häufig als eine Beziehung auf Lebenszeit konzipiert. Das Ende einer Freundschaft zu Lebzeiten der Befreundeten ist dann als ein Scheitern dieser Beziehung zu deuten. Der vorliegende Beitrag stellt die These vor, dass nicht jedes Ende einer Freundschaft als Scheitern der Beziehung zu verstehen ist, gleichzeitig jedoch eine spontane und unbegründete Entscheidung zum Ausstieg als Verstoß gegen die zu erwartende Grundeinstellung guter Freundinnen und Freunde einzuordnen ist. In der heutigen Diskussion von Freundschaften wird der Anspruch betont, dass die Befreundeten sich gegenseitig um ihrer selbst willen wertschätzen. Die Beziehung der Freundschaft, so lege ich dar, kann diese besondere Wertschätzung jedoch nur dann zum Ausdruck bringen, wenn ihr mögliches Ende prinzipiell in Betracht gezogen wird – die Beziehung kann nur als freiwillig wahrgenommen werden, wenn sie keine unbedingte Verbindlichkeit beansprucht. Die Verbindlichkeit der Beziehung kann daher sinnvoll nur auf das Bemühen um die Beziehung, nicht auf ihren eigentlichen Erhalt bezogen werden. Obwohl wir aus der Praxis der Freundschaft de facto jederzeit aussteigen können, so die These, vollzieht sich das typische Ende von engen Freundschaften graduell durch einen Wandel der Einstellung, und kann nicht als Ausstieg verstanden werden.