Abstract
Die ethischen Aspekte der Verwendung von Placebos in klinischen Versuchsreihen wurden im letzten Jahrzehnt ausführlich und kontrovers diskutiert. Es fehlt dennoch eine gründliche vergleichende Analyse der verschiedenen internationalen Richtlinien, ihrer Terminologien und ihrer auf Placebo bezogenen Prinzipien. Das zentrale Problem ist die Rechtfertigung von Placebo bei einer nachgewiesen wirksamen Therapie. Alle aktuellen Versionen der untersuchten Richtlinien schlagen solche Rechtfertigungen vor, unterscheiden sich hierbei jedoch beträchtlich. Zunächst werden wir ein formales allgemeines Prinzip herausarbeiten. Dann werden wir drei verschiedene Kategorien von Kriterien darstellen: das Schadensrisiko oder die Belastung, zwingende wissenschaftliche Gründe und die Erhältlichkeit einer nachgewiesen wirksamen Therapie. Die Analyse zeigt bedeutende normative Abweichungen und Widersprüche innerhalb und zwischen den einzelnen Richtlinien. Besonders frappierend ist es, dassmancheRichtlinien es erlauben, Versuchsteilnehmer dem Risiko eines schweren Schadens auszusetzen, während andere gerade dies untersagen. Abschließend versuchen wir zu zeigen, wie sich die normativen Unterschiede bei der Entscheidungsfindung von Forschern und Ethikkommissionen auswirken können