Zur Bewertung ethischer Gedankenexperimente – „Intuitionspumpen“ vs. Ansatz des „rationalen Wollens“

Zeitschrift für Praktische Philosophie 8 (2):351-374 (2022)
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Abstract

Im Beitrag wird die übliche, intuitionsbasierte Bewertung ethischer Gedankenexperimente hinterfragt und stattdessen für ein neo-kantisches Verfahren der Bewertung argumentiert. Hierzu wird nach einer kurzen systematisch-historischen Verortung zunächst eine grobe Kategorisierung vorgenommen, die erstens nach der Funktion, zweitens nach der Fragestellung erfolgt, auf die Gedankenexperimente antworten. Das vorgeschlagene, neo-kantische Verfahren eignet sich insbesondere zur Bewertung einer bestimmten Kategorie von Gedankenexperimenten: Dilemmatische Situationen, in denen eine Abwägung von Menschenleben zur Debatte steht, weil nicht alle Beteiligten überleben können. Anhand von drei ausgewählten Gedankenexperimenten wird das jeweilige Bewertungsverfahren betrachtet. Im Zuge des neokantischen Verfahrens wird ein „Rollentausch“ vorgenommen und danach gefragt, was alle Betroffenen „rationalerweise wollen“ können. Während die Präferenzen der Täter, die das Dilemma erst verursachen, nicht in die Überlegung eingehen, hängt die Bewertung der Perspektive der Opfer von Art und Ausmaß ihrer Bedrohung ab. Passagiere und Crew des entführten Flugzeugs, deren Tod unausweichlich bevorsteht, könnten einem Abschuss, der vielen anderen das Leben rettet, rationalerweise zustimmen. Beim Gedankenexperiment von Jim und den Indianern ist dies nur bedingt der Fall. In fast allen Varianten des Trolley-Experiments kann nicht davon ausgegangen werden, dass die jeweilige Person der Opferung ihres Lebens für andere zustimmt. In einem letzten Punkt wird auf den Einwand Humes eingegangen, dass weder ein radikal egoistisches noch ein übertrieben altruistisches Wollen als „irrational“ bezeichnet werden kann.

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