Abstract
In der Herausbildung und Stabilisierung von Demokratieformen verschränken sich epistemische und politische Praktiken: Die Wissenschaft von der Demokratie ist konstitutiv für die Demokratie. Das arbeite ich hier am Beispiel deliberativer Bürgerräte heraus. Hier handelt es sich um ein spezielles Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung, von dem seine Protagonist:innen behaupten, es sei in der Lage, den kollektiven Willen des Volkes zum Ausdruck zu bringen, frei von verzerrenden Einflüssen wie Informationsmangel und Machtasymmetrien. In der historischen Perspektive wird deutlich, wie diese spezielle Praxis politischer Repräsentation mitgestaltet wird durch wissenschaftliche Praktiken, die sie beobachten, funktional theoretisieren, empirisch vermessen, experimentell testen und technologisch optimieren. Diese Verschränkung von epistemischen und politischen Praktiken ist typisch für die Fabrikation von Demokratie in spätmodernen Wissensgesellschaften. Forschungsansätze der Science and Technology Studies (STS) gewinnen deshalb Bedeutung für die empirische Demokratieforschung. Mit ihnen kann die epistemische Konstruktionsarbeit in den Blick genommen werden, die verschiedenen Demokratieformen zugrunde liegt. So treten die spezifische Selektivität und die Performativität von Demokratietheorien hervor und es bieten sich Ansätze, Demokratieinnovationen reflexiv zu gestalten.