Abstract
Rorty zufolge ist unser Streben nach Autonomie zutiefst konfliktiv: Je stärker es sich als ästhetische Selbsterschaffung behauptet, umso mehr Grausamkeit hat es zur Folge; je mehr es sich für diese Gefahren sensibilisiert, umso schwächer und leichter zu demütigen wird die eigene Position. Dieser scheinbar unlösbare Konflikt beruht jedoch auf einem problematischen Bild des Selbst. Die Figur des starken Dichters, die Distinktionsvergewisserung durch Auslagerung der vermeintlichen Schuld an der eigenen Heteronomie betreibt, ebenso wie die liberale Ironikerin, die sich durch ständige Selbstzweifel selbst zu destabilisieren droht – beide bleiben dem Phantasma unantastbarer (Selbst-)Gewissheit verhaftet. Dagegen deutet sich in Rortys späteren Schriften eine politische Ästhetik an, die dieses Phantasma durch das, was hier als prophetischer Zweifel bezeichnet wird, überwinden könnte – hin zu einem weniger gewaltförmigen Modell von Autonomie.