Abstract
Die zunächst philosophische, vor allem von Kant begründete Idee kosmopolitischen Rechts ist heute de facto in ein dynamisches, durchaus noch problematisches und deshalb weiter zu entwickelndes System des Internationalen Rechts transformiert: Menschenrechte nicht als Ideal oder gar Utopie, sondern als positives Recht, als jus cogens, erga omnes. Der Beitrag plädiert für eine pragmatische Re-Lektüre, in deren Ergebnis Kants Lehre als pragmatische Funktionstheorie von Recht und Staat verstanden wird und die zeigt, dass Kant an Bedeutung für unsere Zeit gewinnt, wenn man auf spekulativ-metaphysische Begründungen verzichtet. Kants Rechtslehre ist kein untergeordneter Teil seiner Moralphilosophie. Es bedarf keiner moralphilosophischen Begründungen dafür, dass es Recht gibt. Warum es das Recht geben muss, ergibt sich ex negativo aus demselben Grund, aus dem die Rechtstheorie normative Theorie ist: Die Existenz des Rechts gründet darin, dass die Menschen vernünftig handeln sollen, de facto aber oft diesem Sollen nicht entsprechen. Weil dies nicht so ist, gibt es bei Kant das Recht mit seiner ›Befugnis, zu zwingen‹. Zwar hat Kants Rechtslehre eine moralphilosophische Dimension, in der zu begründen ist, wie – d. h. an welchen Werten orientiert – Recht und Staat sein sollen, aber das Recht hat in seiner Theorie im Interesse der Herstellung weltbürgerrechtlicher Verhältnisse Vorrang vor der Moral