Nanotechnologie und Naturverständnis
Abstract
Mit diesem Beitrag möchte ich der Frage nachgehen, ob die Gegenstände, Vorhaben oder Konzeptionen der Nanotechnologie geeignet sind, zu einer tiefgreifenden Veränderung bisher vorherrschender Natur-Technik-Verständnisse zu führen. Von besonderem Interesse sind dabei nichtwissenschaftliche Auffassungen, von denen ich exemplarisch die der Lebenswelt vorstellen werde. In ihrer aristotelischen Verfassung folgt sie einer kategorialen Entgegensetzung von Natur und Technik. Natur zeichnet sich demnach durch eine nicht auf Technik reduzierbare Selbstbewegung aus, Technik geht hingegen ganz im menschlichen Handeln auf (Abschnitt 1). Das nanotechnologische Naturverständnis läuft dem lebensweltlichen Verständnis insofern zuwider, als es keine kategoriale Abgrenzung zur Technik kennt. Es lassen sich verschiedene Naturbegriffe der Nanotechnologie unterscheiden, von denen ich zwei Gruppen hervorhebe: die naturalistische und die der Natur-Technik-Differenz (Abschnitt 2). Letztere enthält wiederum zwei Bedeutungen. Zum einen meint Natur das gesetzmäßig Verfaßte. Als solches stellt sie eine unüberschreitbare Voraussetzung und Grenze des nanotechnologisch Machbaren dar. Eine steigende Relevanz der Nanotechnologie (wie der wissenschaftlichen Technik überhaupt) würde dieser Bedeutung zu größerer kultureller Tragweite gegenüber der lebensweltlichen Entgegensetzung verhelfen (Abschnitt 3). Zum anderen bezeichnet Technik in der Nanotechnologie aber, wie auch in der Lebenswelt, das vom Menschen Hergestellte (ohne jedoch von Natur kategorial getrennt zu sein). Wegen dieser Gemeinsamkeit trägt die Nanotechnologie trotz ihrer differenten Naturauffassung zur Stützung des lebensweltlichen Technikverständnisses bei. Sie vermag unter bestimmten Bedingungen mit ihren Methoden den der lebensweltlichen Wahrnehmung nicht zugänglichen künstlichen Ursprung von nanotechnologischen Gegenständen nachzuweisen. Wenn diese Identifikation prinzipiell ausgeschlossen ist, fallen die nanotechnologischen Gegenstände der Natur zu. Ansonsten bilden sie Hybride, in denen Natur und Technik mitunter in nicht mehr auftrennbarer Verschränkung vorliegen. Diese Untrennbarkeit ist nicht spezifisch für die Nanotechnologie und setzt der Identifikation nanotechnologischer Eingriffe keine neue Grenze (Abschnitt 4). Abschließend gehe ich auf den Einfluß der Nanotechnologie auf das lebensweltliche Naturverständnis ein, d. h. auf den erwartbaren Einfluß von nanotechnologischen Produkten und die Bedeutung der Grenzen der nanotechnologischen Unterscheidbarkeit von Natur und Technik in der Lebenswelt (Abschnitt 5).