Abstract
Wir gehen davon aus, daß methodologische Erwägungen, die sich nicht an der ontologischen Struktur des zu erforschenden Gegenstandsbereiches orientieren, leicht zu einseitigen Postulaten führen, die in der Praxis der Wissenschaft nicht eingelöst werden können. So zeigt eine nähere Analyse, daß bei Zugrundelegung des Hempelschen Erklärungsmodells die Konstitution von Geschichte als eines Zusammenhangs individueller Ereignisse unmöglich ist. Die historische Erklärung stellt keinen Deduktionszusammenhang dar, sondern eine kausale Zurechnung eines Ereignisses zu vorangegangenen Ereignissen oder Systemzuständen. Diese Zurechnung erfolgt in erzählender Form, die nicht als bloße Rumpfform eines deduktiven Schemas anzusehen ist. Nur durch Bezug auf diesen Unterschied in den Erklärungsarten von Naturwissenschaft und Geschichte kann der üblichen Unterscheidung von "Fall" und "Ereignis" ein befriedigender Sinn gegeben werden