Abstract
Kant vertritt in der Kritik der praktischen Vernunft und im Gemeinspruch die Auffassung, daß man eine Leihgabe auch dann nicht einfach einbehalten darf, wenn dies gefahrlos möglich wäre. Wie Konrad Cramer allerdings in seinem Aufsatz zum „Depositum“ zeigt, ist es gar nicht so leicht, auf der Grundlage der Kantischen Ethik ein gutes Argument für diese Auffassung zu rekonstruieren. Im Ausgang von Cramers Kritik wird hier der Versuch unternommen, Kants Position zu stärken: Die Maxime desjenigen, der das hinterlegte Gut einbehält, ist die, sein Vermögen mit allen sicheren Mitteln zu vergrößern; wäre nun diese Maxime allgemein verbreitet, so würde es der ursprüngliche Eigentümer gar nicht wagen, sich von seinem Eigentum zu trennen. Es gäbe keine Deposita. Derjenige, der sich so am Gut eines andern bereichern möchte, untergräbt bei Allgemeinheit seiner Maxime tatsächlich die Bedingung der Möglichkeit der Einbehaltung des Depositums. Entscheidend wichtig für den Erfolg der Rekonstruktion ist die präzise Unterscheidung von „Regeln“ und „Maximen“