Den Ausgangspunkt des Aufsatzes bildet Dieter Henrichs These, daß die Negation in Hegels Wissenschaft der Logik selbstreferentiell und autonomisiert vorkommt. Sie wird als exegetische These an dem daseinslogischen Sachverhalt des Anderen seiner selbst sowie am Übergang von der Seins- zur Wesenslogik bewährt und wie folgt differenziert: In der Seinslogik erscheint die Selbstbeziehung der Negation als mit Unmittelbarem kontaminiert, erst in der Wesenslogik trifft sie autonomisiert hervor. Mittel der Differenzierung ist der mengentheoretische Begriff der Unfundiertheit, der es ferner erlaubt, die These (...) von der Selbstbeziehung der Negation auch der Sache nach zu verteidigen und sie für eine Nichtstandarddiagnose der Lügnerantinomie fruchtbar zu machen. (shrink)
Das sinnliche Bewusstsein, abstrakt einzeln betrachtet, bietet ein Sinnesdaten- Konglomerat in einem raumzeitlich ausgedehnten sensorischen Bewusstseinsfeld, welches affektiv in Leib und Gegenwartsbewusstsein des Menschen verankert und so auf dessen „Begehrungsvermögen“ bezogen ist, jedoch kein Bewusstsein von Subjekt und Objekt. Dieses entsteht erst durch die freie begriffliche Synthesis, die mit Fichte als intellektuelle Anschauung unseres eigenen Handelns – des Verbindens und dadurch Objektivierens sowie „Subjektivierens“/Selbstbewusstsein-Erzeugens – verstanden werden kann. In konservativer Projektion der verbindenden Verstandesbegriffe lässt sie uns erkennen, was das sinnliche (...) Bewusstsein – das Epistemische quasi vorzeichnend – zeitlich geordnet lediglich wahrnimmt. (shrink)
Kant in his critical metaphysics, as one might call his transcendental philosophy, proceeds from the syncategorematic, subject-sided forms of thinking, which are revealed by general logic qua doctrine of the inferences of reason, and assigns to them one-to-one categorematic, object-sided forms of thinking: the categories qua pure, non-empirical predicates of things. Kant then shows in his transcendental deduction that the categories are objectively, – i. e. without our invasive intervention – valid of all things in space-time. In the present essay, (...) philosophy is understood not so much as critical metaphysics in a narrow sense of “metaphysics”, but rather as the a priori hermeneutic science; and the transcendental deduction of the categories is replaced by arguments for a readability thesis and a theory of the a priori presuppositions of referencing things in space and time. The readability thesis states that things can be read as world-sided primal tokens of proper names of themselves and also as world-sided primal tokens of elementary propositions about them. The theory of the a priori presuppositions clarifies the conditions of the possibility of subjects orienting themselves in space and time and being able to refer, first, to themselves qua embodied thinkers and then as well to arbitrary individual items. (shrink)
Auch wenn der Begriff des Kunstwerks sich nicht bündig definieren läßt, so kann man doch wesentliche Aspekte der Kunst angeben und entwickeln, indem man sie auf Voraussetzungen des Faktums bezieht, daß Menschen Wahrheitsansprüche erheben. Kant, Adorno und Heidegger haben im Ausgang von jenem Faktum einen ästhetischen bzw. einen mimetischen bzw. einen alethischen Aspekt der Kunst freigelegt. Dies ist das Thema und die zentrale These der nachfolgenden Bemerkungen. Sie sind in sechs Abschnitte gegliedert. Zunächst wird über das von Adorno so genannte (...) Nichtidentische, dann kurz über das Schöne und das Erhabene, drittens über den bildenden Schein und die Mimesis, viertens über die Wahrheit und ihre begrifflichen Momente, fünftens über Glück und Versöhnung und zuletzt über die Frage der Definierbarkeit der Kunst zu sprechen sein. (shrink)
Andrea Kern has criticized the view that the fallibility of judgements is due to their objectivity and has tried to show that objective knowledge is comprehensible only if its infallibility is not logically excluded. She argues that the notion of knowledge is more fundamental than that of error and that we must bring into play an epistemic capacity as a form of perfection to understand what knowledge is. In the present article, this position is charitably criticized and modified. It is (...) argued that infallible knowledge is even actual, but not fully objective. Infallibility characterises our knowledge of logical and of spatio–temporal form and our judgments of the kind "it seems to me that p". This knowledge is in neither case knowledge of particular objective facts, but in both cases knowledge of what Sebastian Rödl calls the object überhaupt. (shrink)
In ihrem Buch Existenz verteidigen Andreas Luckner und Sebastian Ostritsch die Position Saul Kripkes gegen den benachbarten Ansatz Timothy Williamsons und gegen die entferntere Tradition von Frege, Russell und Quine. Einig sind alle Parteien sich, dass Existenz als Dass-Sein zu denken ist im Unterschied zum Was- und Wie-Sein des Seienden oder, wie ich sagen werde, als formales Sein im Unterschied zum inhaltlichen Sein. Der Dissens hebt an bei der Frage, ob Existenz ein Prädikat erster Stufe oder eine Art Prädikat von (...) Prädikaten ist, wie Frege und die ihm folgen meinen, wenn sie Existenz als Quantor, d. h. unspezifische Zahlangabe zu Begriffsumfängen fassen. Kripke und Williamson dagegen erklären Existenz als eine nichtdiskriminierende Eigenschaft von Einzelnen, Kripke als eine kontingente,Williamson als eine notwendige. Luckner und Ostritsch schließen sich Kripke an und ich mich ihnen. (shrink)
Anknüpfend an einen Dialog zwischen Jürgen Habermas und Joseph Ratzinger von 2004 über vorpolitische Grundlagen des demokratischen Rechtsstaates werden Eckpunkte möglicher Rechtfertigungen und ein strukturelles Defizit des Staates erörtert: selbst der demokratischste gefährdet die Freiheit seiner Bürger. Ratzinger und Habermas weisen dem religiösen Glauben differente Funktionen zu, um diesem und verwandten Defiziten abzuhelfen: Ratzinger setzt auf tiefe religiöse Überzeugung, Habermas auf Kulturchristentum. Dagegen wird hier die These vertreten, dass die vorgeschlagenen Abhilfen nicht wirkungsvoll sind. Vielmehr bedarf es einer im kritischen (...) Kantischen Sinn metaphysischen Begründung des Staates und der Moralität aus der internen Struktur der reinen praktischen Vernunft, um die Notwendigkeit einer Pluralität partikularer demokratischer Staaten und der Singularität eines universalen ethischen Gemeinwesens zu verstehen und angemessen zu bewerten. (shrink)
ZUSAMMENFASSUNGDer Mensch ist das Lebewesen, das Wahrheitsansprüche erhebt. Die Gliederung der Wahrheit prägt daher nicht nur Sein und Zeit, sondern auch alles Menschliche, so unser bewusstes Weltverhältnis und besonders Unglück und Glück. Die Wahrheit hat drei Aspekte: einen realistischen, einen pragmatischen und einen phänomenalen Aspekt , die Zeit drei entsprechende Modi: Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart, unser Weltverhältnis drei Seiten: Gefühl, Wille und Wahrnehmung, das Glück drei Aspekte: Vergnügen, Gelingen und Präsenz. Gezeigt wird, wie diese Phänomene zusammenhängen und wie andererseits ihre (...) jeweiligen Aspekte auseinander treten, woraus falsches Bewusstsein und Unglück entsteht. Glück stellt sich ein im Wiederfinden der verlorenen Zeit: wenn Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart sich in der von Proust beschriebenen Weise vereinigen.SUMMARYMan is the kind of animal that raises truth claims. The internal structure of truth, therefore, pervades not only being and time, but also everything human, such as our conscious being in the world in general and our being unhappy or happy in particular. Truth has three essential aspects: a realistic, a pragmatic and a phenomenal aspect ; time has three corresponding modes: past, future and present; conscious being in the world has three sides: feeling, willing and perceiving; happiness has three aspects: pleasure, satisfaction and presence. It is shown how these phenomena hang together and yet how their respective aspects tend to fall asunder, thus creating lack of understanding and unhappiness. Happiness will arise only when lost time is regained and when past, future and present unite in the way adumbrated by Proust. (shrink)
The article consists of a general introduction and two main parts, the first relating to sensory, qualitative consciousness and the second to discursive, intentional consciousness. The general thesis of the first part can be formulated like this: Humans literally overlap in their infinite spatiotemporal field of consciousness, which is one and the same for all and is only oriented differently by each individual, namely egocentrically in each case. On the basis of this common extended consciousness we can talk to each (...) other about things. In the second part, the thesis – inspired by the divergent picture theories of elementary sentences developed by the early Wittgenstein and then by Wilfrid Sellars – is argued that when we talk about things, we read them and translate them into verbal language. We read them as world-sided primordial tokens (1) of their names, (2) of phenomenal “this-such” representations of them, and (3) of various elementary sentences about them, thus treating them as objects, as Kantian intuitions and as token facts respectively. Incidentally, this result can serve to illuminate Heidegger’s thesis in his 1950 lecture on language that it is originally language that speaks – as the “ringing of silence” or “chiming of stillness” (“Geläut der Stille”) – and that humans have the call to speak back to language in talking to each other, i.e. to respond to the chiming of stillness. (shrink)